Das Kind Otto aus Goethes Wahlverwandtschaften (1809) ist eine ziemlich ungewöhnliche, jedoch keineswegs uninteressante, literarische Figur. Gezeugt bei einem doppelten Ehebruch der Fantasie, hat das Kind vier, sich nach chemischen Gesetzen verhaltende, Elternteile, zwei leibliche und zwei geistige, ein erschreckendes Aussehen und ein sehr kurzes lebloses Leben. Dennoch ist seine Rolle im Roman keinesfalls sinnlos. Auf dem durchkonzipierten Spielplan der Wahlverwandtschaften wies Goethe auch der Figur des Kindes Otto eine ganz bestimmte Funktion zu. Diese Funktion soll in der folgenden Arbeit, anhand von Schlüsselszenen im Roman und verschiedenen Interpretationsansätzen aus der Forschung, ermittelt und analysiert werden.